Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Heidelberg-Mannheim und Heidelberger Institut für Tiefenpsychologie (Hg.)
Psychoanalyse im Widerspruch Nr. 45: Körpermodifikationen
Nr. 45/2011
EUR 19,90
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Zeitschrift: Psychoanalyse im Widerspruch (ISSN: 0941-5378)
Verlag: Psychosozial-Verlag
118 Seiten, Broschur, 148 x 210 mm
ISBN-13: 978-3-8379-8046-2, Bestell-Nr.: 8046
Die »Psychoanalyse im Widerspruch« hat eine Denkfigur der
Psychoanalyse zu ihrem Programm gemacht: die Kontroverse - denn
seit 1900 ist kein Kernbegriff dieser unruhigen Disziplin
widerspruchslos akzeptiert worden. Seit der Gründerzeit reizen ihre
Aussagen in der Gesellschaft zum Widerspruch. Und für die
Psychoanalyse als Theorie innerer und äußerer Konflikte ist das
Widersprechen essentiell.
Zu den thematischen Schwerpunkten der Zeitschrift zählen die
Geschichte der Psychoanalyse in Europa und auf anderen Kontinenten,
gesellschaftspolitische und kulturtheoretische Probleme, Kunst und
Film, klinische Fragestellungen sowie die Aktualität der
Psychoanalyse im interdisziplinären Netzwerk. Zuvor
unveröffentlichte Dokumente Sigmund Freuds und anderer historischer
Figuren der Psychoanalyse tragen ebenso zum Profil der Zeitschrift
bei wie Texte von Marie Langer, Mark Solms, Emilio Modena, Léon
Wurmser, Micha Brumlik, Rolf Vogt, Paul Parin oder Antonino Ferro.
Über die Beiträge zu den Schwerpunktthemen hinaus bietet die
Zeitschrift Rezensionen und Veranstaltungshinweise.
Diese Publikation enthält:
Inhaltsverzeichnis
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Inhalt
Editorial
Ada Borkenhagen
Das kosmetische Selbst: Aspekte zu
einem neuen Sozialisationstyp
Schönheitschirurgisches Enhancement als Selbsttechnologie am
Beispiel von Schönheitsoperationsshows und
Modelcastingsendungen
Mathias Hirsch
Der eigene fremde Körper
Zur Psychodynamik der Körperdissoziation
Thomas Ettl
Körpermodifikation, Körpermanipulation,
Objektmanipulation
Der Fall Helen Memel
Andreas Bilger
Problem »Feuchtgebiete«
Zwischen Hemmung und Offenheit, Takt und Obszönität: Sprechen über
das Körperliche und Anstößige
Edeltraud Tilch-Bauschke
Sex and the City von Michael
King
Eine kritische Glosse
Widerspruch im Widerspruch
Hans Becker
Widerspruch
Kommentar zu Ulrich Deutschmanns »Gefangen in Hammonias
Kessel Aktuelle Auseinandersetzungen und Geschichte der
Psychoanalyse in Heidelberg«
(Psychoanalyse im Widerspruch, 44/2010, Seite 27–59)
Rezension
Veranstaltungen
Filmkalender: Psychoanalytiker/innen diskutieren Filme
Autorinnen und Autoren dieses Heftes
Zusammenfassungen und Abstracts
Ada Borkenhagen
Das
kosmetische Selbst: Aspekte zu einem neuen Sozialisationstyp.
Schönheitschirurgisches Enhancement als Selbsttechnologie am
Beispiel von Schönheitsoperationsshows und
Modelcastingsendungen
Zusammenfassung: Das Selbstdesign und die Optimierung
unserer Körper werden laut der Studie »Körperwelten 2010« in den
kommenden Jahren zu einer Lebensaufgabe und zu einem Megatrend.
Mehr als jemals zuvor ist der schöne, gesunde, perfekte Körper
Glücks- und Heilsbringer des modernen westlichen Menschen. Das
belegen nicht zuletzt die stetig steigenden Zahlen von
Schönheitsoperationen in Deutschland. Die auf zahlreichen
Privatsendern laufenden Schönheitsoperationssendungen haben
maßgeblich zur Popularisierung schönheitschirurgischen Enhancements
beigetragen. Anhand aktueller Zahlen und Studienergebnisse soll
dieser Trend des Selbstfashionings mit dem Skalpell belegt werden.
Dazu werden die Ergebnisse einer Medienanalyse der
Schönheitsoperationsshow »The Swan – endlich schön!« vorgestellt
und hinsichtlich der kulturellen und psychosozialen Aspekte
analysiert.
Mathias Hirsch
Der eigene
fremde Körper. Zur Psychodynamik der
Körperdissoziation
Zusammenfassung: Die Objektverwendung des eigenen Körpers
hat als Voraussetzung seine Abspaltung vom Gesamt-Selbst. Diese
Dissoziation hat sowohl den Charakter eines Trauma-Äquivalents als
sie auch als Versuch der Restitution verstanden werden kann:
Wendung vom Passiven ins Aktive in einer Täter-Opfer-Umkehr, auch
wenn der eigene Körper dann das Opfer ist, also wiederum ein Teil
des Selbst. Im eigenen Körper kann ein tröstendes Mutter-Objekt
hergestellt werden, wie ein Übergangsobjekt, auch dieses aus
eigener Kraft. Der dissoziierte Körper kann als Ort der Projektion
für das Böse, d.h. das traumatische Introjekt, dienen, wie bei der
Hypochondrie und Dysmorphophobie; er wird bei der anorektischen
Eßstörung zu einer idealisierten Mutter-Imago. Er kann aber auch
verwendet werden zur Herstellung einer surrogathaften Ich-Grenze
durch die Manipulation der Körpergrenze bei der Selbstbeschädigung.
Alle Formen enthalten einen Selbstheilungsversuch durch Opfern
eines (Körper-)Teils, um das Ganze (das Selbst) zu retten.
Abstract: Using the own body requires first its mental
dissociation from the entire psychic self. This dissociation can
both be seen as a trauma equivalent, as well as an attempt of
restitution: Turning from passivity to activity following the
dynamics of perpetrater-victim-reversal, although then the own
body, as a part of the self, is the victim. The body can represent
a calming mother-object, like a transitional object. The
dissociated body serves furthermore as a target of projection of
the evil, i. e. the traumatic introject, just as it can be seen in
hypochondria and dysmorphophobia. In the anorectic type of eating
disorders the body represents an idealized mother imago, while in
self damaging acting out the artificially created body-boundary
replaces the lacking ego- or self-boundary. In all these forms of
using the own body there is inherent an attempt of self-healing
through sacrificing a part of the self in order to save the
whole.
Thomas
Ettl
Körpermodifikation,
Körpermanipulation, Objektmanipulation
Der Fall Helen Memel
Zusammenfassung: Anhand des Romanes Feuchtgebiete von
Charlotte Roche, Bestseller des Jahres 2008, der gegen den
aktuellen Hygienewahn anschreibt und in der Presse Befürworter und
Donnerer auf den Plan gerufen hat, werden Motive, Affekte und
Phantasien erörtert, die auch Gegenstand des Schönheitskults sind
und den ihm eigenen Körpermodifikationen zugrunde liegen dürften.
Die Protagonistin schwelgt schamlos und mit großer Unruhe in den
Lenden in ihren Feuchtgebieten und den Körperausscheidungen,
weshalb dem Roman ein gewisser odor mali anhaftet, aber den Vorzug
hat, unversperrten Zugang zum vom Kulturmenschen Abgewehrten zu
ermöglichen. Der Roman
wird zum Rohstofflager psychischen Materials. Schließlich zeigt er,
wie die Protagonistin durch eine Selbstverletzung ihrem Wunsch
manipulativ Nachdruck verleiht, ihre geschiedenen Eltern mögen
wieder ein Paar werden.
Andreas Bilger
Problem
»Feuchtgebiete«. Zwischen Hemmung und Offenheit, Takt und
Obszönität: Sprechen über das Körperliche und
Anstößige
Zusammenfassung: Feuchtgebiete, der »Roman« von Charlotte
Roche, war ein Bestseller, der Kontroversen darüber auslöste, ob
man so anstößig erzählen, schreiben und lesen darf, ob
Psychoanalytiker sich damit beschäftigen dürfen. Die
»Feuchtgebiete«, das Körperliche, das Anstößige, das Anale und
Sexuelle sind ein Problembereich in der Psychotherapie und
-analyse. Eine der zentralen Entdeckungen der Psychoanalyse war es,
wie einflußreich für die Entwicklung und von welch starker
pathogener Potenz die intimen Erfahrungen und Geheimnisse von Lust,
Ekel, Scham sind. Nachdem der Körper seit der Entdeckung der
Fallstricke der Übertragung aus der psychoanalytischen Behandlung
gedrängt wurde, scheint er in der Psychoanalyse wieder angekommen
zu sein. Aus Überlegungen zum Körperbild und der Sexualität, zum
Buch von Charlotte Roche und zu einer psychoanalytischen
Fallgeschichte ergeben sich einige Thesen zum Deuten und Sprechen
über Obszönes im psychoanalytischen Dialog.
Abstract: Feuchtgebiete, Wetlands, the novel by Charlotte
Roche, was a bestseller, creating controversies on the obscene
writing, reading, talking. Are the Wetlands, the bodily, the
indecent and offensive, the Anal and sexual zones subjects of
talking cure, in psychotherapy, in psychoanalysis? One of the
central discoveries of psychoanalysis was and is, how important and
influential the intimate experiences and secrets of lust, disgust,
and related affects and fantasies, and shame, are for human
development and of pathogenic potential. After the body was
diplaced from psychoanalytic treatment since the »discovery« of
transference and its dangerous vicissitudes, nowadays it seems that
the body did arrive again in psychoanalysis. Starting from
reflections about body image and sexuality around the novel by
Charlotte Roche and its reception, the author discusses a
psychoanalytic case vignette and ends by some ideas and theses
about acting, speaking and interpretation of bodily and obscene
facts and topics in the psychoanalytic dialogue.